Geläut der Glocken

Glocken gehören zu den frühesten Erfindungen und am weitesten verbreiteten Freiluftinstrumenten der Menschheit. Schon immer hatten sie vorwiegend religiöse Bedeutung. Sie sollten böse Geister verjagen und gute anlocken, um so einen heiligen Ort zu schützen. Aber auch als „normale“ Signalgeber wurden sie benutzt, da man ihren Klang über weite Entfernungen hören konnte.

Die ersten Christen lehnten die Glocken wegen ihres heidnischen Ursprungs ab, und der Apostel Paulus vergleicht Menschen ohne Liebe mit tönernem Erz oder einer klingenden Schelle.

Aber schon im 4. Jh., als die Christen gegenüber heidnischen Kulten aufgeschlossener wurden, benutzten die Mönche als Signalgeber für ihre täglichen Gebetszeiten und Gottesdienste. Aus den Klöstern heraus übernahm die römisch-katholische Kirche diesen Brauch, und schnell erschallte das Geläut der Glocken in ganz Europa.

Drei Aufgaben hatten die Glocken in dieser Zeit zu übernehmen:

  1. Mehrmals täglich sollten sie zum Gebet rufen.
  2. Sie sollten die Gläubigen zu den Gottesdiensten einladen.
  3. Innerhalb der Gottesdienste wiesen sie auf bestimmte liturgische Handlungen (z.B. das Vaterunser) die Gläubigen hin, die nicht am Gottesdienst teilnehmen konnten.

Natürlich hatten und haben die Glocken daneben auch rein profane Aufgaben zu erfüllen. Z.B. ist es in manchen Orten üblich, während eines Gewitters die Glocken zu läuten. Dieser Brauch resultiert aus der Annahme, man könne damit das Unwetter vertreiben.

Trotzdem wird auch heute noch - manchmal zum Ärger der Anwohner - das Glockengeläut als eine Stimme der christlichen Gemeinde verstanden, die durch die musikalischen Variationsmöglichkeiten - vorausgesetzt sie verfügt über eine bestimmte Anzahl von Glocken - und eine bestimmte Läuteordnung Informationen an ihre Gläubigen weitergeben möchte.

Die drei Glocken haben jetzt ihr Alter erreicht und müssen deshalb ausgetauscht werden. Zum Reformationstag 2025 sollen die neuen Glocken kommen. Völlig unverständlich ist aber, dass jetzt 5 Glocken das neue Geläut bilden sollen. Im Angesicht der kritischen finanziellen Situation innerhalb der EKHN, wo Gebäude aufgegeben werden und die Kirchenaustritte zunehmen, ist diese Anschaffung völlig unverständlich.

Wir in Groß-Zimmern verfügen über ein Geläut von drei Glocken, die 1920 bei der Firma Rincker in Sinn gegossen wurden.

  1. Eine große Glocke links mit der Inschrift: „Ein feste Burg ist unser Gott“
  2. Eine mittlere Glocke mit der Inschrift: „O Land, Land höre des Herrn Wort“
  3. Eine kleine Glocke rechts mit der Inschrift: „Bete und arbeite“

Dabei ist es wichtig, dass sich über eine allgemeine Läuteordnung hinaus jede Kirchengemeinde eine eigene örtliche Tradition schafft. In ihr wird festgelegt, wann welche Glocke zu einem bestimmten Ereignis ruft.

Es soll nun versucht werden, die drei Aufgaben des Glockengeläuts im allgemeinen und speziell für unsere Kirchengemeinde in Groß-Zimmern darzustellen.

Das tägliche Läuten

Schon im 11. Jh. wurde das morgendliche (4.00 Uhr) und vielleicht auch das abendliche Gebetsläuten (20.00 Uhr) von Papst Urban eingeführt, und 1455 wurde unter Papst Calixt III. das Läuten zur Mittagszeit (11.00 Uhr) hinzugefügt, das Ave-Maria- oder Angelusläuten genannt wurde nach dem Gebet, das während dieser Zeit gesprochen wurde. Mit Einführung der Reformation, die diese Gebete abschaffte, verlor dieses Läuten seinen ursprünglichen Sinn. 1628 haben deshalb hessische Protestanten bestimmt, das Läuten habe ausschließlich weltliche Funktionen zu erfüllen, z.B. Reisende und Verirrte die Zeit bzw. die Richtung zum nächsten Ort anzugeben. Oder es sollte den Arbeitern auf dem Feld die Zeit für den Arbeitsbeginn, die Mittagspause oder den Feierabend angeben.

In unserer modernen Zeit besteht keine Notwendigkeit mehr, die Glocken bis zu fünf Mal täglich zu läuten, um Verirrten eine Orientierung zu geben oder den Berufstätigen den Feierabend zu signalisieren. Dafür gibt es andere Möglichkeiten.

Unsere Kirchengemeinde hat sich deshalb auf ein zweimaliges Läuten verständigt:

Das morgendliche Läuten

um 11.00 Uhr mit der großen Glocke

Das abendliche Läuten

um 20.00 Uhr mit der großen Glocke

In anderen Kirchengemeinden kann es aber noch ein dreimaliges (11.00 - 17.00 - 20.00 Uhr) oder sogar ein viermaliges Läuten (10.00 - 11.00 - 17.00 - 20.00 Uhr) geben.

Weil unsere Glocken nicht mehr die ihnen im 17. Jh. zugewiesene Funktion haben, kommt ihrem Geläut wieder die ursprüngliche Bedeutung des Gebetsläutens zu. Manche Christen halten inne, wenn um 11.00 Uhr die Glocken läuten, um ein Vaterunser zu beten, oder um 20.00 Uhr, um Gott für den Tag zu danken und für eine ruhige Nacht zu bitten.

Nicht unmittelbar zum täglichen Läuten gehört das Sterbegeläut. Aber es soll trotzdem unter diesem Aspekt behandelt werden, weil auch hier die Glocken ähnliche Funktionen erfüllen wie bei dem 11.00 Uhr- und 17.00 Uhr-Läuten. Zum einen wird durch den unterschiedlichen Beginn des Gruppenläutens die Gemeinde über den Verstorbenen (Kind oder Erwachsener) informiert. Zum anderen soll die Gemeinde für den Verstorbenen beten und an den eigenen Tod und die Ewigkeit denken.

In unserer Gemeinde haben wir folgende Läuteordnung:

In der Regel wird um 10.00 Uhr für einen Verstorbenen geläutet. Sollten die Angehörigen den Tod eines Gemeindegliedes später als 10.00 Uhr melden, kann auch danach noch geläutet werden.

Beim Tod eines Kindes läuten die Glocken folgendermaßen:

  • drei Minuten läutet die mittlere Glocke,
  • drei Minuten die kleine und
  • danach läuten vier Minuten alle Glocken (das Plenum).

Beim Tod eines Erwachsenen :

  • Vorläuten 1 Stunde vorher
  • drei Minuten die mittlere Glocke
  • drei Minuten die große Glocke und
  • vier Minuten alle Glocken.

Daraus wird ersichtlich, dass wir am zweiten Teil des Geläuts unterscheiden können, ob ein Kind oder Erwachsener gestorben ist.

In Zusammenhang mit dem Sterbegeläut steht auch das Beerdigungsgeläut. Das Läuten zur Beerdigung hatte früher seinen Grund darin, dass der Trauerzug sich von dem Trauerhaus bis zur Kirche bewegte und nach der Trauerfeier der Sarg zu dem Grab getragen wurde, das sich auf dem die Kirche umgebenden Friedhof befand; denn bis ins 19. Jh. hinein waren die Friedhöfe regelmäßig bei den Kirchen. Setzte sich der Trauerzug in Bewegung, wurde mit allen Glocken geläutet.

Heute liegen die Friedhöfe oft recht weit von den Kirchen entfernt, so dass besonders in den Städten auf ein besonderes Geläut der Kirchenglocken verzichtet wird. An deren Stelle tritt das Läuten der Glocken in der Trauerhalle.

Bei uns in Groß-Zimmern hat sich noch der alte Brauch des Beerdigungsgeläut erhalten.

Eine Stunde vor der Beerdigung (Vorläuten) wird

  • je drei Minuten lang
    • die mittlere und die große Glocke geläutet.

Zur Zeit der Beerdigung (meistens um 13.30 Uhr)

  • werden alle Glocken (Plenum) drei Minuten geläutet.

Während des Zuges von der Trauerhalle zum Grab ertönt die Glocke der Friedhofskapelle.

Das Läuten zum Gottesdienst

Gottesdienste an Sonn- und Feiertagen

Zum Sonn- und Feiertag gehört das Einläuten am Vorabend und zwar

  • vom 21. März bis 1. Oktober um 19.00 Uhr und
  • vom 2. Oktober bis 20. März um 18.00 Uhr
    • alle drei Glocken (Plenum) für 10 Minuten.

Es ist dieses ein Überrest eines weggefallenen Vespergottesdienstes, der aber in unserer Gemeinde wieder eingeführt werden könnte. Der Vorabend gehört liturgisch nach alter Auffassung schon zum folgenden Tag. Deshalb wird hier mit dem gleichen Geläut der Sonn- und Feiertag eingeläutet, mit dem auch zum Hauptgottesdienst gerufen wird. Gerne wird das Einläuten mit einer Betstunde oder der Beichte, wenn sonntags das Abendmahl gefeiert wird, verbunden. Dieses gilt in ähnlicher Form auch für das Läuten am Heiligen Abend.

An dem darauf folgenden Sonn- bzw. Feiertag wird zu dem Gottesdienst insgesamt dreimal geläutet:

  • 8.30 Uhr 1. Vorläuten
    • drei Minuten die mittlere Glocke
    • drei Minuten die große Glocke

9.00 Uhr 2. Vorläuten

  • drei Minuten die mittlere Glocke
  • drei Minuten die große Glocke

9.20 Uhr Zusammenläuten aller Glocken für 10.00 Minuten

Dieses dreimalige Läuten soll den Gläubigen an den Gottesdienst erinnern, ihn auf ihn einstimmen und auch dafür sorgen, dass er rechtzeitig zum Gottesdienst kommen kann. Letzteres ist sicherlich ein Relikt aus der Zeit, als das Zusarnmenläuten das Zeichen für den Aufbruch zum Gottesdienst gab. Dieses zeigt sich auch daran, dass dieses keinesfalls verkürzt werden darf, selbst auch dann nicht, wenn aus irgendwelchen Gründen damit später begonnen worden ist.

Tauf- und Traugottesdienste

In vielen Gemeinden finden die Taufen außerhalb des Gottesdienstes statt, so dass auch hierfür ein eigenes Geläut notwendig wird. In der Regel werden aber nicht alle Glocken eingesetzt.

Bei Traugottesdiensten - meistens am Samstag - werden alle Glocken fünf Minuten lang angeschlagen.

Kindergottesdienst

Auch er erhält, wenn er nicht in den Gottesdienst integriert ist, ein eigenes Geläut und zwar fünf Minuten mit allen Glocken.

Andachten

Passions- und Adventsandachten, das Adventskonzert u. a. gehören im weiteren Sinne zu den Gottesdiensten, zu denen mit den Glocken eingeladen wird.

Dieses geschieht durch zweimaliges Läuten:

  • 1/2 Stunde vor Beginn das Vorläuten.
  • Bei Beginn das Plenum.

Die Osterfeier

Am Ostersonntag wird um 8.00 Uhr auf dem Friedhof der Auferstehung Jesu gedacht. Deshalb wird

  • mit allen drei Glocken drei Minuten

lang geläutet; denn in dieser Feier an den Gräbern möchten wir an das Erlebnis erinnern, das die Frauen am Grab Jesu hatten, als die Engel zu ihnen sprachen: „Er ist nicht hier, er ist auferstanden.“ Diese Verheißung, die sich die orthodoxen Christen an Ostern zurufen, gibt uns die Hoffnung, dass unsere Verstorbenen und auch wir einmal bei Gott sein werden.

Feier am Ewigkeitssonntag

Bei der Feier auf dem Friedhof läuten

  • alle Glocken drei Minuten lang,

was uns nicht nur an die Toten, sondern - deshalb der Name „Ewigkeitssonntag“ - an die Wiederkunft Jesu erinnern möchte.

Läuten während der Gottesdienste

Diese uralte Sitte, die schon 1629 bezeugt ist, soll all die Gläubigen am Geschehen des Gottesdienstes teilnehmen lassen, die aus irgendeinem Grund verhindert sind. Sie können während des Läutens in der Stille sich am Gebet beteiligen oder derer gedenken, die im Gottesdienst am Ewigkeitssonntag verlesen werden.

Wir kennen bei uns das Läuten während des Gottesdienstes bei folgenden Anlässen:

  • Beim Vaterunser mit der mittleren Glocke.
  • Während der Einsegnung der Konfirmanden mit allen Glocken.
  • Bei der  Verlesung der Verstorbenen am Ewigkeitssonntag mit der großen Glocke.

Das Läuten zu besonderen Anlässen

Während des Jahres gibt es immer wieder Ereignisse, auf die wir durch das Läuten der Glocken hingewiesen werden. Sie wollen uns mahnen, uns an die Bedeutung des jeweiligen Tages erinnern und auf Gottes Botschaft hinweisen. Hierzu gehört:

  • Das Einläuten des neuen Jahres mit allen drei Glocken.
  • Am Karfreitag zur Sterbestunde Jesu um 15.00 Uhr zwei Minuten mit der großen Glocke.

Wir haben gesehen, Glocken haben ihre bestimmte Aufgabe im Ablauf des Gemeindelebens, die über eine musikalische Intonation weit hinausgeht. Sie sind im weitesten Sinne eine Stimme Gottes, mit der unser Herr seine Liebe der Welt verkündigen und uns in seine Gemeinde rufen möchte.

Glockenweihe